Was ist ein Programm in der Erwachsenen- und Weiterbildung?

"Programme der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (EB/WB) sind die veröffentlichten Ankündigungen von Lehr-/Lernangeboten und anderen Leistungen (z. B. Mitarbeiterfortbildung oder Beratung). Sie dienen primär der Information über die jeweils aktuellen Angebote bzw. der Kundenwerbung, sekundär der Selbstdarstellung der Anbieter und der Legitimation ihrer Arbeit. [...] In den Programmen sind Konzepte über Bildungsbedürfnisse und Qualifizierungsbedarfe potenzieller Teilnehmender und über Formen ihrer pädagogischen Vermittlung operationalisiert, die Anbieter auf der Basis von Erfahrungen, Erkundungen, aber auch eigener Bildungsvorstellungen und durch Vorgaben von fördernden Instanzen entwickelt haben." (Nolda 2018, S. 433f.)

„Programme von Weiterbildungsinstitutionen und Organisationen geben mit ihren nach Schwerpunkten strukturierten Angeboten die Produktpalette der Weiterbildungsanbieter wieder. Sie geben Auskunft über die Schwerpunktentwicklung in den Angeboten, sie zeigen Relationen zwischen Gesamtangebot und einzelnen Programmfeldern, Verschiebungen zwischen den Programmbereichen oder -feldern. Sie verweisen auf neue Schwerpunktsetzungen, machen Entgrenzungen, neue Verbindungen im Prozess der Wissensgenerierung sichtbar. Sie erbringen aber ebenso Befunde über den Modellierungsansatz von Wissen.“ (Gieseke 2008, S. 67).

"Unter Programmen werden Texte verstanden, die das aktuelle Veranstaltungsangebot einer öffentlich geförderten Einrichtung, eines kommerziellen Anbieters oder eines Betriebes enthalten. Solche in Form fon gedruckten Broschüren, Handzetteln oder Anzeigen vorliegenden bzw. im Internet abrufbaren Texten dienen originär der Information für Interessenten, die sich auf der Grundlage der angegebenen Daten allgemein über das Angebot entscheiden können. Es handelt sich also um kurzfristige Gebrauchstexte, die schon bald nach Ihrem Erscheinen nicht mehr ihre eigentlichen Zweck erfüllen." (Nolda 2003, S. 212)

"Das Angebot stellt eine Unterkategorie zum Programm dar. Ohne Angebote, die sich in Kursen, aber auch in Projekten und Workshops manifestieren, gäbe es kein Programm. Wenn viele Angebote in ein Programm unter einer Aufgabe, einer Funktion oder zu einem Tätigkeitsfeld gebündelt werden, spricht man vom 'Programmsegment' oder 'Programmbereich'. Das Angebot basiert auf den durch die planende Person ausgemachten Bildungsinteressen und ist gerichtet an potenzielle Adressaten und Adressatinnen bzw. Zielgruppe. Es soll spezielle Bedarfe und Bedürfnisse bedienen, die aber auch durch andere Angebte in einem Programmschwerpunkte bedient werden können." (Gieseke 2018, S. 25)

"Historisch-bildungstheoretisch betrachtet stellt das Programm ein Ergebnis historischer, sozialer, ökonomischer und bildungspolitischer Entwicklungen in einer bestimmten Zeit dar. Es ist in der Perspektive Ausdruck von bestimmten gesellschaftlichen Prozessen, die über die Programmschwerpunkte interessenbezogen, das heißt trägerabhängig ihren Platz erhalten oder durch bildungspolitische Regelungen direktiv über Projektförderungen - bei gleichzeitige relativer Autonomie - in den Organisationen ausgestaltet werden." (Gieseke 2018, S. 24)

Was ist eine Programmanalyse?

„Die Programmanalyse hat das erwachsenenpädagogische Spezifikum "Programm" zum Untersuchungsgegenstand und versucht so, Ausschnitte der Weiterbildungspraxis zu erschließen. Programmanalysen können qualitativ, quantitativ oder Methoden kombinierend angelegt sein. Sie sind methodische Ansätze, die sich über die Datensorte "Programm" bestimmen und sich unterschiedlicher Verfahren bedienen.“ (Käpplinger 2008)

"Programmanalysen sind systematische, empirische Auswertungen von Programmen, insbesondere von Programmheften. Die Programmanalyse ist eine Methode der Erwachsenen- und Weiterbildung" (Käpplinger & Robak 2018, S. 67)

 

 

Abbildung zu Arten von Programmanalysen Abbildung zu Arten von Programmanalysen Abbildung zu Arten von Programmanalysen © Fleige et al. (2018), S.79

Was macht Programmforschung?

Programmforschung wertet Programme aus der Distanz von Beobachtern aus, die sich nachträglich der in diesen enthaltenen Texte bzw. Informationen bedienen, um Erkenntnisse zu gewinnen über das Erwachsenenbildungsangebot einzelner oder
mehrerer Träger bzw. einzelner oder mehrerer Einrichtungen; meist bezogen auf bestimmte Themen(‐bereiche) bzw. Wissensformen, Ziele, Zielgruppen, Organisationsbedingungen und didaktische Arrangements (Schrader und Ioannidou 2009). Als non-reaktive, natrliche Daten geben die Texte aber auch Ausünfte über das die Professionsforschung interessierende Planungshandeln von Erwachsenenbildnerinnen und -bildnern (Gieseke 2015, S. 171).“ (Nolda 2018, S. 434f.)

„Wir bewegen uns mit der Programmforschung in einem Kernbereich moderner Weiterbildungsforschung, die sich auf den Prozess der Veränderungen im Bildungsbereich forschend und nicht bildungspolitisch normativ argumentierend einlässt. Wirklichkeit als gestaltete Realität trifft durch diese Forschung auf neue bildungspolitische Absichten, oder regt bildungspolitische Initiativen an. Wichtig ist für diesen Kontext nur, dass nicht unhinterfragt bildungspolitisch gesetzte Prämissen normativ als Ausgangspunkt genommen werden. Erwachsenenpädagogische Forschungsergebnisse erweitern den Betrachtungsspielraum und können wichtige Anregungen für Programmplanung und -gestaltung liefern, wenn sie denn von der Praxis- und Politikvertreter/inne/n rezipiert werden. Wir können dann Programme als Ausdruck von pädagogischen Handlungskonzepten betrachten, in die sowohl konzeptionelle Überlegungen als auch nachfrageorientierte Vorstellungen eingehen, da die Finanzierung nicht wie im schulischen Bereich gesichert und die Teilnehmenden immer gleichzeitig als Kund/inn/en im Blick sind.“ (Gieseke 2008, S. 67)

"Programmforschung untersucht das Ergebnis des Programmplanungshandelns, das Programm. Die Entwicklung und Analyse von Programmen stellt für Praktikerinnen und für Hoschulabsolventinnen eine Schlüsselanforderung ihrer Professionalität dar. Mit einer Analyse kann man untersuchen, wie diese Anforderungen in der Praxis erfüllt werden." (Käpplinger & Robak 2018, S. 65)

(weiterführende) Literatur

Fleige, M., Gieseke, W., Hippel, A. v., Käpplinger, B. & Robak, S. (2018). Programm- und Angebotsentwicklung in der Erwachsenen- und Weiterbildung (Erwachsenen- und Weiterbildung, Bd. 2). wbv.

Gieseke, W. (2008). Bedarfsorientierte Angebotsplanung in der Erwachsenenbildung. Bielefeld: wbv

Gieseke, W. (2018). Programm und Angebot. In Fleige, M., Gieseke, W., Hippel, A. v., Käpplinger, B. & Robak, S. (2018). Programm- und Angebotsentwicklung in der Erwachsenen- und Weiterbildung (Erwachsenen- und Weiterbildung, Bd. 2). wbv. S.18-27.

Käpplinger, B. (2008). Programmanalysen und ihre Bedeutung für pädagogische Forschung. In Forum Qualitative Sozialforschung. Forum: Qualitative Social Research, H.1, Art. 37 (29.05.2013)

Käpplinger, B. & Robak, S. (2018). Forschen mit Programmen: Orientierung für studentische Arbeiten. In Fleige, M., Gieseke, W., Hippel, A. v., Käpplinger, B. & Robak, S. (2018). Programm- und Angebotsentwicklung in der Erwachsenen- und Weiterbildung (Erwachsenen- und Weiterbildung, Bd. 2). wbv. S. 64-75.

Nolda, S. (2018): Programmanalyse in der Erwachsenenbildung/ Weiterbildung - Methoden und Forschungen. In: Tippelt, R. & Hippel, A. v. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Springer VS. S. 433-450

Nolda, S. (2010): Wörterbuchartikel zu Programme. In Arnold, R., Nolda, S. & Nuissl, E. (Hrsg.).(2010). kreativhaus Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn.

Nuissl, E., (2010). Trends in der Weiterbildungsforschung (S. 173) In DIE (Hrsg.), Trends in der Weiterbildung – DIE Trendanalyse 2010. Bielefeld.